STANDPUNKTE

wolfram baltin
Freier Architekt + Stadtplaner BDA SRL DWB
Hans-Sachs-Strasse 1 D-76133 Karlsruhe

  
Standpunkt 1 / 2002 
Der Strukturwandel im Bestand und die integrierte Planung

Vor 30 Jahren begann in Deutschland mit den Erlass des "Städtebauförderungsgesetzes" die systematische Neuordnung der überalterten Stadtkerne, um den notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Wandel zu forcieren. Ohne dieses Gesetz und seine konsequente Fortentwicklung wären die deutschen Städte heute weniger lebensfähig, weniger attraktiv, stärker von wirtschaftlichen und sozialen Konflikten betroffen.

Die Erfahrungen aus der Anwendung des Gesetzes zeigen, dass diese Form der qualitativen Veränderung im Bestand eine sinnvollere und dringend notwendige Alternative zum quantitativen Wachstum der Städte in die Fläche ist. 
Der sparsame Umgang mit den Freiflächen, der ökonomisch kalkulierte Einsatz unvermehrbarer Ressourcen, die Berücksichtigung der vielfältigen Interessen und Belange, der Schutz vorhandener städtebaulicher und landschaftlicher Qualitäten, die Suche nach innovativen Lösungen und modernen, fortschrittlichen Konzepten, der Schutz der Umweltbelange, die Beteiligung der Bürger und der offene Umgang mit Informationen......all dies sind Grundsätze, nach denen Stadtplanung heute zu gestalten ist.

Es ist durch Untersuchungen bekannt, dass sich gerade in den bestehenden gewerblichen Mischgebieten und den Gewerbe- und Industrieflächen die größten Potentiale für zukünftige Veränderungen und für den Strukturwandel befinden. Im Rahmen absehbar sinkender Bevölkerungszahlen erscheinen die Potentiale für Wohnraum im Bestand als ausreichend, allerdings bedarf es auch hier immer wieder der Anpassung an neue Bedürfnisse. 
Unter diesen Gegebenheiten wird die Stadtplanung nicht einfacher, sie stellt höhere Anforderungen. Eine "integrierte" Stadtplanung wird an Bedeutung gewinnen, bei der die Kooperation aller Planungsbeteiligten , der betroffenen Bürger und der politischen Vertreter im Vordergrund steht. Immer mehr werden die "informellen" Planungslösungen (§1,5,10 BauGB) Bedeutung gewinnen, Rechtsicherheit im Sinne von Bebauungsplänen wird immer schwieriger und erst langfristig erreichbar werden. Dennoch sind kurzfristige Handlungsmöglichkeiten politisch notwendig. 

Gerade in Zeiten knapper Finanzmittel ist es bedeutsam, die langfristig wirksamen ökonomischen Potentiale zu mobilisieren, die sich im Bestand befinden. Diese Herausforderung stellt sich nicht nur den Kommunen, sondern oft in viel drängenderer Form der gewerblichen Wirtschaft, deren Existenz von Flächenverfügbarkeit, Erschließungsqualität, baulichen Spielräumen, Flexibilität im Bestand etc, geprägt wird.

Stadtplanung ist ein Instrument der Zukunftsvorsorge und kein Instrument, um politische Macht auszuüben. Stadtplanung ist in diesem Sinn der Ausdruck demokratischen Denkens und Handelns, das sich immer an den Grundsätzen der Vernunft orientieren soll.

16.Januar 2002